Mehrfachbeauftragung Rauher Kapf West – Schwerpunkt „IBM-Entwicklungslabor“
Böblingen
Jahr: 2022
Auszeichnung: 1. Preis
Hochbau: deffner voitländer Architekten, Dachau
Betonung der Topographie und Lageplan IBM als Blaupause
Der neue Stadtteil verstärkt die Linearität des Höhenrückens „Schönaicher First“. Sowohl die Orthogonalität und deren Lage im Gelände, als auch die Verteilung der befestigen und unbefestigten Flächen der IBM Anlage wird weitest möglich übernommen. Einerseits begründet sich das aus einer Art Reminiszenz, andererseits werden auch ökonomische, infrastrukturelle sowie ökologische Ziele verfolgt. Der Konversionsprozess vereinfacht sich.
Die einzelnen Häuser, wie auch der neue Stadtteil als Gesamtheit gehorchen einem streng geometrischen Prinzip. Es ist robust und flexibel mit einem rechtwinklig angelegten Straßen- und Wegenetz. Zwei längs zum Rücken angelegte Erschließungsstraßen gliedern den Stadtteil in drei parallel verlaufende Streifen. Schmalere, im rechten Winkel dazu angelegte Querstraßen lassen eine gleichmäßig bebaute Fläche mit kleinen rechteckigen Inseln entstehen. Die äußeren Grenzen des Stadtteils folgen keinem regelmäßig geometrischen Muster; ihr Verlauf passt sich im Wesentlichen dem bestehenden Waldrand an. Auch im Inneren wird die Regelmäßigkeit unterbrochen: durch Baumbestand, durch Erhalt unversiegelter Flächen, sowie den Erhalt dreier Bestandsgebäude.
Cohabitation
Hohe Biodiversität prägt das Quartier, ein städtischer Interspeziesraum entsteht. Dazu werden die Stirnwände bzw. die Brandwände herangezogen. Stahlgerüste über die gesamte Gebäudehöhe erhalten eine üppige Begrünung aus kletternden und blühenden Pflanzen. Sie bieten Lebensraum für Vögel und Insekten; bei entsprechender Tiefe von 2-3 Metern aber auch über Leitern erreichbare grüne Lauben für die menschlichen Bewohner. Lauter kleine Biotope, die stellvertretend für ein vielfältiges Zusammenleben stehen, gegen die Verdrängung von Tieren aus dem städtischen Raum wird es dort künftig blühen, summen, duften, zwitschern und wimmeln.
Quartierseingang Boule
Auf dem quirligen Quartiersplatz mischen sich alle Bewohnerstrukturen und viele verschiedene Nutzungen. Er funktioniert als shared space, auf dem sich die Wege der Fußgänger und Radfahrer, von Autos und Seilbahn kreuzen. Hier findet der Wochenmarkt statt und ein Café mit Freiflächenbestuhlung lädt zum Cafétrinken ein; auch der Nahversorger hat hier seinen Zugang. Morgens und mittags strömen viele Schüler über den Platz, denn die Grundschule schließt den Quartiersplatz im Süden ab. Der Stadtteiltreff mit Quartiersmanagement und Zugang zur Seilbahnstation bildet den nördlichen Abschluss des Platzes. Die Mitte wird von einem Baum Dach eingenommen, unter dem auf einer wassergebundenen Decke im Schatten Boule gespielt wird. Eine Altenpflegeeinheit als eigenständiger Komplex mit 60 Dauerpflegeplätzen liegt über den Läden am Quartiersplatz; und ermöglicht den Senioren das Leben und Treiben auf dem Platz auch vom Balkon aus zu verfolgen.
Weitere Treffpunkte gibt es im öffentlichen Raum, z.B. im Ringpark; dort gibt es auch Picknick- oder Grillplätze. Sitzgelegenheiten im Quartierspark, am Quartiersplatz und im Ringpark laden zum Ausruhen und Plaudern ein.
Kinder und Senioren im Quartier
Die offene städtebauliche Struktur bietet den Quartierskindern ausgedehnte Streifräume. Sie umfassen eine Vielzahl von halböffentlichen Hofräumen, von denen jeder anders ist, zu den Quartiersplätzen, in den grünen Ring und – altersabhängig – darüber hinaus. Jeder dieser Räume ist mit Spielgelegenheiten ausgestattet. Die Höfe bieten altersgerechte Spielplätze für Kleinkinder mit geringem Bewegungsradius, während sich im Quartierspark mit seinem üppigen Baumbestand komplexere Balancier- Kletter– und Aufenthaltseinrichtungen für jede Altersgruppe finden.
Die Spielstationen im Ringpark reagieren thematisch auf die örtlichen Gegebenheiten: Riesenschaukeln bringen den Nutzer im Südwesten weit in die freie Landschaft, die sich durch eine neu entwickelte Sichtachse erschließt, ein Baumwipfelpfad schlängelt sich behutsam durch einen vorhandenen Wald. Immer wieder gibt es an den Wegen kleine Spielstationen.
Aussichtsberg „Rauher Kapf“ – „Schönaicher First“
„Kapf“ kommt vom mittelhochdeutschen „kapfen“, das heißt schauen, besonders verwundert schauen oder gaffen. „Rauher“ steht für unebenen und steinigen, unfruchtbaren und dichtbewachsenen Untergrund. Der Namen muss zu einer Zeit entstanden sein, als der Berg gerodet war. Durch das Fehlen der Bäume hatte man eine fantastische Sicht. Roden wollen wir den Hügel heute nicht mehr, eher wieder aufforsten. Den fantastischen Blick auf dem Schönaicher First wird man künftig von der öffentlichen Aussichtsterrasse mit Roof Top Bar auf dem Seilbahnhaus bei einem Apero genießen.
Blickbeziehungen
An wenigen ausgewählten Stellen sollen in den dichten Hangwald Öffnungen gearbeitet werden, die den Blick in die Landschaft freigeben und das Quartier in das größere Ganze einbinden. Dazu wird der Wald sukzessive zunächst in einen lichten Hain überführt, dann allmählich in eine mit niedrigen Pflanzen bewachsene Lichtung mit einem abgestuften Gehölzsaum an den Rändern..